Bessa

Die Bessa löste seit 1929 schrittweise die Rollfilmkamera ab. Mit dieser Kamera deckte Voigtländer zuerst nur das Segment der besonders preiswerten Rollfilm - Klapp - Kameras ab (1929 - 1935).
Seit Mitte 1935 war die Bessa die einzige Rollfilm - Klapp - Kamera der Fa. Voigtländer. Sie war wohl die erfolgreichste Kamera von Voigtländer überhaupt. Das letzte Exemplar wurde 1955 hergestellt. Seit 1955 konzentrierte sich Voigtländer (mit Ausnahme weniger Spezial - Kameras) ganz auf das Kleinbild - Kamera - Geschäft.

Alle Bessas hatten das "selbstaufrichtende Objektiv". Beim Aufklappen der Kamera richtete das Objektiv sich von selbst auf, ein Herausziehen des Objektivs entlang des Laufbodens war unnötig, die Kamera war dadurch schneller "schussbereit". An diesem Prinzip der "schnellen Schussbereitschaft" wurde in den Folgejahren weitergearbeitet - mit beachtlichem Erfolg. Der Brillantsucher wurde beibehalten, der Rahmensucher wurde stark verkleinert. Die erste Bessa hatte gar keinen Rahmensucher mehr, ab der 2.Version gab es nur den kleinen, am Kamera - Korpus befestigten Klappsucher, der Drahtrahmen am Objektivbrett war weggefallen.

Die ersten beiden Versionen waren sehr einfache Kameras mit selbstspannendem Verschluß und 3-Punkt-Entfernungseinstellung. All dies erhöhte die "schnelle Schußbereitschaft" der Kamera für den Amateur - Knipser. Dies Entwicklung ging einher mit einer Umorientierung der Photographie Ende der 20er- / Anfang der 30er-Jahre: weg vom "durchkomponierten Bild" - hin zum "Schnappschuß". Diese Entwicklung war maßgeblich bestimmt vom Aufkommen der Kleinbildkamera (v.a. LEICA). Diese Kamera war natürlich für die allermeisten Amateure zu teuer, die sich nun in immer größerer Zahl der Photographie mit den einfach zu handhabenden Rollfilm - Kameras für das Format Format 6 * 9 zuwandten. Die Bedeutung der Plattenkameras ging zurück, 1936 wurde die letzte Plattenkamera von Voigtländer (Bergheil) verkauft.

Die Bessa im Format 6 * 9 und die Brillant 6 * 6 waren die "Verkaufsschlager" der Fa. Voigtländer in den 30-er Jahren.

Die erste Bessa

Die erste Bessa kam im Jahr 1929 auf den Markt. Die Kamera wurde intensiv beworben, in Zeitschriften wurden Anzeigenserien geschaltet, Propekte wurden gedruckt, ein schönes Exemplar sehen Sie hier:



Klappt man den 6 seitigen Faltprospekt auf, richtet sich die Kamera (im Kreis) auf, wie die echte Kamera. Bis dato gab es kaum Prospekte für einzelne Kameras.

Von der Kamera gab es nur eine Ausführung mit Voigtar - Objektiv 7,7 / 10,5 cm in einem einfachen Verschluß der Fa.Gauthier. Eine Einstellung in Metern war nicht möglich, stattdessen konnte man wahlweise auf Landschaft / Gruppe / Porträt einstellen. Diese "narrensichere" Art der Entfernungseinstellung wurde hier zum ersten Mal angewendet, sie wurde später auch für andere Kameras im unteren Preissegment verwendet.



Bessa 1.Version

Der Korpus der Kamera ähnelte dem der zur gleichen Zeit gebauten Rollfilmkamera.
Obwohl die Kamera nur 1 Jahr lang verkauft wurde, wurden beachtliche Stückzahlen verkauft, die Kamera ist keineswegs selten.

Die zweite Bessa

Die zweite Bessa löste im Jahr 1930 die erste Version ab. Der Korpus war etws kompakter und schicker, das Voigtar etwas lichtstärker. Der chromverzierte Korpus ähnelte dem Korpus der letzte Version der Rollfilmkamera.
Auch für diese Kamera wurde intensiv geworben, z.B. mit einem ausgefallenen Prospekt in Form der Kamera:



Von der Kamera gab es 4 Varianten:

- Bessa für das Format 6 * 9 mit Voigtar 6,3/10,5 mit Fernauslöser
- Bessa für das Format 6 * 9 mit Voigtar 6,3/10,5 mit Selbstauslöserauslöser
- Bessa für das Format 6,5 * 11 mit Voigtar 6,3/12 mit Fernauslöser
- Bessa für das Format 6,5 * 11 mit Voigtar 6,3/12 mit Selbstauslöserauslöser

Der Fernauslöser funktionierte wirklich einfach:




Bessa Version 2, Format 6 * 9, mit Selbstauslöser



Bessa 2 im Format 6,5 * 11 und 6 * 9

Bei geschlossener Kamera kann man die Kameras durch die Lage der Filmtransport-Fenster auf der Rückseite unterscheiden. Bei der großen Bessa ist das Fenster auf der rechten Seite, bei der kleinen Bessa auf der linken Seite, je nach Lage der Nummerierung auf der Filmrolle.



Die Kamera wurde bis 1935 in sehr hohen Stückzahlen verkauft, die Variante für das Format 6,5 * 11 wurden allerdings fast nur im Ausland verkauft, in Deutschland konnte sich das Format nicht durchsetzen, bei den folgenden Versionen wurde auf dieses Format daher verzichtet.

Danach kam eine völlige Neukonstruktion auf den Markt, mit einer großen Palette von Objektiven und Verschlüssen (Bessa 4).
In der Zwischenzeit gab es noch ein Intermezzo:

Die "Chain - Gang" - Bessa (Version 3)

1932 kam eine kurzlebige, sehr interessante Bessa - Version auf den Markt. Sie gehörte zu der sogenannten "Chain - Gang".

Sie wurde in folgenden Ausführungen verkauft:

Skopar 4,5 / Embezet - Verschluß
Skopar 4,5 / Compur - Verschluß
Heliar 4,5 / Compur - Verschluß

Alle Objektive hatten eine Brennweite von 10,5 cm.



Bessa Version 3, für das Format 6 * 9 oder
4,5 * 6 (mit Kleinbildeinlage = m.K.)
mit Skopar und Embezet - Verschluß




Bessa Version 3, für das Format 6 * 9 oder
4,5 * 6 (mit Kleinbildeinlage = m.K.)
mit Heliar und Compur - Verschluß


Der rifflige Aufzugsknopf dieser Bessa wurde mal offen, mal geschlossen montiert:



Diese Bessa gibt es auch mit dem Fernrohrsucher der Prominent.



Bessa Version 3, w.o. mit Fernrohrsucher.

Die Kamera wurde nur 1 Jahr verkauft und ist eine der seltensten Bessas überhaupt. Sie ist die einzige Bessa ohne E-Messer, die auch mit dem hochwertigen HELIAR-Objektiv verkauft wurde. Von 1933 - 1935 wurde dann nur noch die 2.Version der Bessa verkauft.

Die 4. Version der Bessa

1935 kam eine völlig neue Bessa auf den Markt. Die Kamera war eine völlige Neukonstruktion und wurde in besonders vielen Kombinationen von Optik und Verschluß angeboten.

Die auffälligste Veränderung war die Verlegung des Auslösers vom Objektiv an den Laufboden. In der Werbung beschrieb man die Kamera nun so (passend zur Militarisierung der Gesellschaft):



Großformatiger Pappaufsteller



Prospekt von 1935

Der Prospekt zeigt gut die technische Umsetzung der Verlagerung des Auslösers nach außen, wodurch die Kamera wesentlich besser in der Hand lag. Zum Schließen der Kamera musste man nicht mehr die Gelenke knicken, sondern drückte einfach auf den kleinen Bügel unter dem Objektivbrett und faltete die Kamera zu.
Die Kamera war außerdem eine Zwei - Format - Kamera: durch Einlegen einer Kleinbildmaske konnte das Format halbiert werden (4,5 * 6 cm).

Folgende Varianten der Kamera wurden angeboten (alle f=10,5 cm):

Kamera mit Dreipunkt-Einstellung:

Voigtar 7,7 / Singlo-Verschluß
Voigtar 7,7 / Singlo-Verschluß mit Selbstauslöser
Voigtar 6,3 / Pronto-Verschluß
Voigtar 6,3 / Pronto-Verschluß mit Selbstauslöser

Kamera mit Meter-Einstellung

Voigtar 4,5 / Pronto-Verschluß mit Selbstauslöser
Voigtar 4,5 / Compur-Verschluß mit Selbstauslöser
Voigtar 4,5 / Compur-Rapid-Verschluß mit Selbstauslöser
Skopar 4,5 / Compur-Verschluß mit Selbstauslöser
Skopar 4,5 / Compur-Rapid-Verschluß mit Selbstauslöser
Voigtar 3,5 / Compur-Rapid-Verschluß mit Selbstauslöser



Bessa Version 4, sogenannte "Silber-Bessa"
mit Voigtar 6,3 / Pronto-Verschluß



Die gleiche Kamera mit Voigtar 3,5 / Compur-Rapid-Verschluß

Diese Kamera hat einen Compur - Verschluß mit besonderem Design (3 konzentrische Kreissegmente links und rechts), diese Variante des Compur - Rapid - Verschlusses wurde nur kurze Zeit verwendet.






Da die Kamera anfangs verchromte Kanten hatte, bekam Sie irgendwann von Sammlern oder Händlern den Beinamen "Silber - Bessa", dieser Name wurde jedoch von Voigtländer nie benutzt.

Spezialsammler unterscheiden:
- Bessa mit verchromten Kanten und verchromtem Sucher
- Bessa mit verchromten Kanten und schwarz lackiertem Sucher
- Bessa mit schwarz lackierten Kanten und verchromtem Sucher
- Bessa mit schwarz lackierten Kanten und schwarz lackiertem Sucher

Die Kamera wurde in den einfachsten Varianten nur in abgespeckter Form geliefert: der Knopf zum Schließen des Gehäuses fehlte (am Knick des Gelenks befanden sich rote Markierungen mit schwarzem Pfeil in Knickrichtung).



einfache Version der Bessa 4

Später wurde die Kamera noch weiter abgespeckt, sie war jetzt nur noch eine "Ein - Format - Kamera" und der "gute, alte" Brillantsucher wurde eingespart.



"Spar-Version" der Bessa 4 ohne Brillantsucher



"Spar-Version" mit optischem Klappsucher
und Brillantsucher!

Die Kamera mit dem optischen Klappsucher stammt aus dem Jahr 1941/42, als die Bessa 66 (siehe dort) ebenfalls einen optischen Klappsucher bekommen hatte. Interessanterweise hat die Kamera wieder einen Brillantsucher.

Abschließend zeige ich eine Bessa / Version 4 mit optischem Klappsucher und Voigtar 4,5 in Compur-Verschluß. Zum Zeitpunkt der Einführung des optischen Klappsuchers für die einfachen Bessas wurde diese hochwertige Optik eigentlich in der Bessa Version 5 verbaut.



Die 5. Version der Bessa

1937 kam die ausgereifteste Bessa auf den Markt. Mit ihr wurde ein Optimum an "Schußbereitschaft" erreicht: beim Öffnen der Kamera sprang der Sucher automatisch auf und der Auslöser, den man bei der Version 4 noch aufklappen musste, wurde automatisch "in Stellung" gebracht. Diese Bessa wurde in vielen Varianten bis 1950 verkauft. Erst in diesem Jahr wurde sie durch eine völlige Neukonstruktion, die BESSA I abgelöst.
Die wichtigsten Varianten möchte ich hier vorstellen.

Folgende Objektiv - / Verschluß - Kombinationen der Kamera wurden angeboten (alle f=10,5 cm):

Kamera mit Dreipunkt-Einstellung:

Voigtar 7,7 / Singlo-Verschluß
Voigtar 7,7 / Singlo-Verschluß mit Selbstauslöser
Voigtar 6,3 / Pronto-Verschluß
Voigtar 6,3 / Prontor-Verschluß mit Selbstauslöser

Kamera mit Meter-Einstellung

Voigtar 4,5 / Prontor II-Verschluß mit Selbstauslöser
Voigtar 4,5 / Compur-Verschluß mit Selbstauslöser
Voigtar 4,5 / Compur-Rapid-Verschluß mit Selbstauslöser
Skopar 4,5 / Compur-Verschluß mit Selbstauslöser
Skopar 4,5 / Compur-Rapid-Verschluß mit Selbstauslöser
Voigtar 3,5 / Compur-Rapid-Verschluß mit Selbstauslöser

!937 wurden die Versionen 4 und 5 der Bessa gemeinsam angeboten. Ab 1938 wurde nur noch die Version 5 angeboten.



Bessa Version 5 mit Skopar 4,5 in Compur-Verschluß



Bessa Version 5 mit Voigtar 3,5 in Compur-Rapid-Verschluß

Auch von dieser Bessa gab es eine "Sparversion": der Knopf zum Schließen des Gehäuses fehlte (am Knick des Gelenks befanden sich rote Markierungen mit schwarzem Pfeil in Knickrichtung). Sie sehen hier gleichzeitig eine "jungfräuliche" Kamera in der Original-Werksverpackung, dem Verkaufskarton und Papier zum Auspolstern des Kartons.







Kamera mit Klappsucher und
einfachem Gehäuseverschluß

Ansonsten wurde die Bessa Version 5 im Lauf der Zeit kaum verändert. Die Produktpalette wurde jedoch um neue Objektive bereichert. Die erste Neuerung war die Verwendung des lichtstarken Skopar 3,5. Die bislang bekannten Objektivnummern lassen darauf schließen, daß die Bessa mit diesem Objektiv erst nach Kriegsende verkauft wurde.
Der Brillantsucher wurde nun nicht mehr eingebaut.



Bessa mit Skopar 3,5 in Prontor II-Verschluß
Denselben Verschluß gibt es auch in rot



Bessa mit Skopar 3,5 in Compur-Rapid-Verschluß

Seit 1949 wurden die neuentwickelten farbtüchtigen, vergüteten Objektive COLOR - SKOPAR und VASKAR verwendet, das COLOR - SKOPAR sehen Sie hier zuerst mit Compur - Verschluß älterer Bauart, danach mit Compur - Verschluß neuerer Bauart:





Bessa mit Color-Skopar 3,5 im Compur-Verschluß



Bessa mit Vaskar 4,5 in Prontor-S-Verschluß

Die Kamera wurde 1949/1950 nur in folgenden Varianten angeboten:

(alle f = 10,5 cm)

Vaskar 4,5 / Prontor S
Vaskar 4,5 / Compur-Rapid
Color-Skopar 3,5 / Prontor S
Color-Skopar 3,5 / Compur-Rapid

Herr Dr. Schwarzmüller hat mir ein Bild einer Bessa mit Vaskar 4,5 / Prontor S mit Brillantsucher übersandt. Voigtländer hatte nach dem 2.WK noch einen großen Bestand an halbfertigen Kameras, da die Kameraproduktion irgendwann im "Totalen Krieg" eingestellt wurde, zugunsten der Produktion für die Armee.
Bei dieser Kamera wurde also wohl ein recht frühes Halbfabrikat mit einem aktuellen Verschluß bestückt und so verkauft. Es ist aber auch möglich, daß die Kamera mit der Objektiv-Verschlusseinheit später nachgerüstet wurde (das Vaskar ist immerhin ein farbtüchtiges Objektiv).



Im Jahr 1950 wurde diese Bessa durch die völlig neu konstruierte BESSA I abgelöst, die die Erfolgsgeschichte fortschrieb, aber auch die letzte Bessa bleiben sollte - die Zeit der Rollfilmkameras im Amateurbereich ging zu Ende.