"Mikroskope"

Ich danke allen Bildgebern für die Bilder.

Schon als Johann Friedrich Voigtländer 1807 vom Magistrat der Stadt Wien die "Erlaubnis zur Eröffnung einer Werkstätte zur Herstellung optischer, mechanischer und mathematischer Instrumente" (Grabenhorst S. 17)) erhielt, gehörten Mikroskope zur reichhaltigen Produktpalette.

Hier zeige ich Ihnen 2 Beispiel von bereits weiterentwickelten Mikroskopen aus den 20-er Jahren des 19.Jahrhunderts:

Voigtländer'scher Festigkeitsmesser oder Wollen-Mikroskop

Wien um 1825, Messing zaponiert, schwarz lackiert und versilbert,
gebläuter und polierter Stahl, Glas.
Signiert "Friedrich Voigtländer / in Wien".

Auf der kreisrunden Basis wird das Instrument selbst von zwei konischen Messingsäulen getragen. Die fokussierbare Lupe ist von drei Ableselupen umgeben und ist auf eine, mit Mikrometerschraube auf Silber geteilt, Einspannvorrichtung gerichtet, die Beleuchtung erfolgt über einen wahlweise schwarzen oder normalen Konkavspiegel. Zum Transport bzw. als Schutz kann eine zylinderförmige Messingdose über das Instrument geschraubt werden, in deren Deckel sich vier Wollwickler befinden (davon drei mit 1, 2, 3 durchnummeriert, einer nicht zu gehörig, jedoch älter), weiters eine Pinzette, ein Kombi Schraubwerkzeug und ein Stössel. Dm. ca. 7,5 cm, Gesamthöhe geschlossen ca. 11 cm.



Johann Friedrich Voigtländer (1778-1857) gründete 1807 eine eigene optische und mechanische Werkstätte, die er bis zur Übergabe an seinen Sohn Peter Wilhelm Friedrich V. 1837 leitete.
1812 erhielt er ein Lobschreiben von Kaiser Franz I. über ein "Gerät zur Messung der Dicke von Schafwollfäden" (Quelle: Pressestelle Voigtländer 1956-200 Jahre Voigtländer).
1823 verfasste Karl Karmasch eine "Beschreibung eines vom Optiker Friedrich Voigtländer in Wien verfertigten Instrumentes, welches bestimmt ist Schafwolle zu messen" (herausgegeben in den Jahrbüchern des kaiserlich königlichen Polytechnischen Institutes in Wien, 4. Band, Gerod, Wien 1823).

Mikroskop um 1820

Dieses Mikroskop wurde am 25.10.2004 im Dorotheum in Wien für 6.000 Euro versteigert.

Im Auktionskatalog wird das Mikroskop wie folgt beschrieben:

Seltenes Mikroskop von Johann Friedrich Voigtländer
(1779-1859)
Wien um 1820, Messing zaponiert, signiert an der Oberseite des mittleren Fußes "FRIEDRICH VOIGTLAENDER IN WIEN.", Die Rundsäule aus Messing ist auf einem zusammen klappbaren Messing-Dreifuß befestigt, der Grobtrieb wirkt auf eine versenkte Zahnstange von 65 mm Länge. Die Beleuchtung geschieht über einen zweifach gelagerten Konkavspiegel in Messingrahmen bzw. über einen der beiden Lieberkühn-Spiegel. Der runde Mikroskoptisch ist mit einer Klemmhalterung die gegen drei Messingfedern wirkt ausgerüstet. Als Besonderheit besitzt das Mikroskop einen frühen Objektivrevolver mit vier fixen Objektiven, am Revolver nummeriert 1,2,3,4, bei Bedarf einer Beleuchtung von oben kann einer der beiden Lieberkühn-Spiegel aufgesteckt werden. Das Okular ist mit einem Schaubschutzschieber versehen. An übriger Ausrüstung besitzt das Mikroskop eine Klemmpinzette mit Objektnadel zum Aufstecken auf den Tisch, ein Elfenbeindöschen mit Glimmerplättchen und Sprengringen aus Messing für die 10 Objektträger aus Ebenholz, 1 Pinzette, 1 Fisch- oder Froschplatte aus Messing mit originaler grünen Seidenschnur, 1 zylindrischer Messingbehälter für Flüssigkeiten (?), 1 in Messing gefasste, runde Beinplatte zum Auflegen auf den Objekttisch, 1 kleines Skalpell mit Holzgriff, 1 Elfenbeindöschen (ohne Inhalt, 1 Deckel fehlt, ursprünglich für zwei Glasmikrometer). Drei Teile fehlen (Auflichtlupe, Lupe (?) und Glasröhrchen (?)). In, mit grünem langhaarigem Samt gefütterter Mahagonikassette mit zwei Messinghaken (27 x 19,6 x 5,8 cm). (WU). Johann Friedrich Voigtländer ging nach dem Tod seines Vaters Johann Christoph Voigtländer (1732-1797) auf Wanderschaft und lernte nachgewiesen bei dem Mechanicus Siebrecht in Berlin (1801) und beim Mechanicus Baumann in Stuttgart (1803) bevor er 1805 nach London ging, 1807 gründete er seine eigene Werkstatt in Wien wo er begann optische Instrumente zu bauen. Im selben Jahr heiratete er die Tochter des Stuttgarter Optikers Johann H.Tiedemann, der vermutlich schon 1801 bedeutend für Voigtländers Entwicklung als Optiker war.

Den Auktions - Katalog können Sie hier einsehen. Das Mikroskop hat die Los-Nummer 59.



Um 1840 wurde die Mikroskop - Produktion eingestellt. Grabenhorst schreibt: "Es kann vermutet werden, daß die Aufgabe des Mikroskopbaus durch die steigende Nachfrage an den (photographischen) Objektiven verursacht wurde, die zusehends eine stärkere Aufmerksamkeit Voigtländers forderte." (S.47)

1906 erschien ein prachtvoller Katalog in dessen Vorrede steht:
"Wir übergeben hiermit unsere erste (!) Preisliste über Objektive und Apparate für Mikroskopie der Öffentlichkeit". Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, daß Voigtländer beabsichtigt, Produkte im oberen Preissegment anzubieten. Der Katalog zeigt eine breite Produktpalette, die bis 1925 ungefähr beibehalten wurde. 1925 wurde die Produktion und der Verkauf von Mikroskopen eingestellt.
Ein Beispiel für eines der teuersten Mikroskope sehen Sie nun:

Mikroskop von 1912





Mikroskop mit dem Holzkasten mit Griff,
der mit jedem Mikroskop geliefert wurde




Die 3 Objektive



Prüfzertifikat (nähers s.u.)

Das Mikroskop hat 3 Okulare und wurde im September 1912 verkauft.



Zum Schluß zeige ich das größte und bestausgestatte Mikroskop, das Voigtländer (meines Wissens) überhaupt baute, es dürfte auch eines der letzten verkauften Mikroskope (aus den Jahren 1924/25) sein.
An diesem Stück möchte ich erklären, wie ein Mikroskop ungefähr funktioniert. Ich bitte zu bedenken, daß ich ein absoluter Laie auf diesem Gebiet bin, daher bitte ich fachkundigere Leser um Nachsicht und eventuelle Verbesserungsvorschläge.

Mikroskop von 1924/25

Jedes Mikroskop besteht im Prinzip aus den gleichen Elementen. Am wichtigsten ist der Tubus, an dessen unterem Ende das eigentliche (auswechselbare) Objektiv sitzt und an dessen oberem Ende das (auswechselbare) Okular sitzt. Das Objektiv ist eingeschraubt, das Okular wird einfach eingesetzt. Die Kombination von einem bestimmten Objektiv mit einem bestimmten Okular ergibt den aktuellen Vergrößerungsfaktor des Mikroskops.
Das Okular kann durch einen Handgriff ausgetauscht werden, sollen mehrere Objektive zum Einsatz kommen, ist ein zweiteiliger oder dreiteiliger "Objektiv-Revolver" von Nutzen. Mit Hilfe dieses Revolvers kann das Objektiv durch Drehen des Revolvers schnell gewechselt werden.
Ein Mikroskop wie das hier gezeigte hat in der Regel 3 Objektive und 3 Okularen, die alle miteinander kombiniert werden können, sodaß 9 (3 * 3) verschiedene Vergrößerungsfaktoren leicht einzustellen sind. Der jeweilige Vergrößerungsfaktor ist dem jedem Mikroskop beigegebenen Prüfzertifikat zu entnehmen (siehe: Mikroskop von 1912).

Unterhalb des Objektivs befindet sich der Objekttisch zur Fixierung des Objektes, das betrachtet werden soll. Dieses Objekt muß vorher fachmännisch präpariert werden, so daß es transparent ist, denn das Licht zur Betrachtung des Präparats kommt von unten.
Das wichtigste Werkzeug zur Beleuchtung ist ein Spiegel, der ganz unten am Mikroskop sitzt, direkt über dem (massiven) Fuß. Der Mikroskopfuß ist immer sehr schwer, damit das empfindliche Gerät nicht versehentlich umgestoßen werden kann.
Von einem geeigneten Beleuchtungskörper (Lampe) muß das Licht mit Hilfe des Spiegels genau unter das Präparat umgelenkt werden. Der Lichtstrahl muß in einer Achse mit der optischen Achse des Mikroskop - Tubus liegen. Dies einzustellen erfordert ein wenig Übung, schon bei mittleren Vergrößerungen (über 150-fach) ist die Objektiv-Öffnung sehr klein, mit zunehmender Vergrößerung steigt der Lichtbedarf stark an.
Optional hat das Mikroskop über dem Spiegel einen Beleuchtungsapparat, den ich noch näher beschreiben werde.
Für nicht transparente Objekte (Metalle, Gestein) gibt es die Möglichkeit der Beleuchtung durch einen "Vertikalilluminator", den ich ebenfalls noch beschreiben werde.





Auf den Bildern ist der dreiteilige Revolver gut zu erkennen, zudem hat das Mikroskop die "Abbesche Beleuchtungseinrichtung" mit Spiegel, Irisblende und Kondensor. Ferner hat das Mikroskop den Objekttisch mit dem sehr seltenen "Kreuztisch".

Abbesche Beleuchtungseinrichtung



Das Bild zeigt links die Irisblende und rechts den doppelt ausklappbaren Kondensor. Diese dienen zur Bündelung und Konzentrierung des vom Spiegel reflektierten Lichtes. Diese Ausrüstung haben nur Mikroskope der Spitzenklasse.
Das Mikroskop von 1912 (s.o.) hat nur eine Irisblende über dem Spiegel, einfache Mikroskope haben nur einen Spiegel.

Objekttisch mit Kreuztisch



Das Bild zeigt den "Großen Kreuztisch". Der Objekttisch selbst ist entweder rund oder eckig und mit Hartgummi belegt. Das Präparat wird mit 2 Klammern befestigt (siehe Tisch des Mikroskops von 1912).
Mit Hilfe des zusätzlich angebrachten Kreuztisches kann das Präparat millimetergenau senkrecht oder waagrecht verschoben werden um noch präziseres Betrachten des Präparats zu ermöglichen.

Arbeiten mit dem Vertikalilluminator









Der Illuminator wird zwischen Objektiv und Objektivfassung geschraubt. Er hat eine seitliche Öffnung, durch die das Licht einfällt. Dort trifft es auf ein verspiegeltes dreikantiges Prisma, das den Lichtstrahl von oben auf das Objekt lenkt.

Wenn man davon ausgeht, daß die Mikroskope in der Reihenfolge der Produktion durchnummeriert wurden, ein Prinzip, das uns von den Kamera - Objektiven bekannt ist, kommt man anhand der bekannte Nummern zu dem Schluß, daß die Fa. Voigtländer in den Jahren 1906 - 1925 rund 60.000 Mikroskope verkauft hat.

Zum Schluß möchte ich Ihnen noch ein ausgefallenes Bild zeigen. Es zeigt aus 3 Perspektiven die Verbindung eines Mikroskops aus den 20er-Jahren mit einer KB-Kamera aus den 50er-Jahren (Prominent). Die Verbindung wird hergestellt durch einen "Mikroskop-Ansatz" der speziell für die Prominent hergestellt wurde. Natürlich war dabei in erster Linie an ein zeitgenössisches Mikroskop gedacht worden, aber würde man sich als Benutzer elektronischer Geräte aller Art nicht manchmal einen Bruchteil dieser langandauernden "Kompatibilität" wünschen, wie sie zwischen diesen gezeigten Geräten bestand??